Keine Angst vor dem Zufall
Berliner Abendblatt
14. Februar 2019
Im Serie „Portrait: Mit meiner Hände Arbeit“
Text: Karin Reimold
Bilder: Stefan Bartylla
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Mit einem Mäppchen voller Stifte
Maki Shimizu startete ihre Reise als Kunststudentin und kam als Zeichnerin in Berlin an
„Ich male einen Strich, dann reagiere ich darauf, ich plane nichts“, erklärt die Illustratorin und Zeichnerin Maki Shimizu die Vorgehensweise ihres Schaffens. Und die trifft nicht nur auf ihre Leidenschaft mit dem Stift zu. Es ist ihr Lebensstil, den Zufall zuzulassen. Heute illustriert die 37-Jährige alles, von Comics bis Werbeflyer. „Das ist diese Berlin-Magie, wie die Aufträge zu mir kommen und ich meinen Traum als Zeichnerin zu arbeiten, wahrmachen konnte.
Mit 18 Jahren zog es Shimizu, die zu der Zeit bereits Freie Kunst in Tokio studierte, weg aus der Heimat. „Ich hatte eine Lebenskrise. Liebeskummer“, erzählt sie mit einem Augenzwinkern aus heutiger Sicht. „Mit einem Schlafsack und einem Mäppchen voller Stifte kaufte ich mir ein Ticket und flog nach Deutschland.“ Die Kunststudentin wollte wandern. Ab Frankfurt begann ihre Reise zu Fuß, entlang des Mains. Sie war beeindruckt von den Menschen, der Eisenbahn, der Natur, was die Japanerin nicht kannte. In einer Jugendherberge gefiel es ihr dann so gut, dass sie anstatt einer Nacht gleich für drei Monate blieb. „Und da geschah es. Ich entdeckte dieses Buch über Haustiere von Paul Eipper, erschienen 1955.“ Sie war fasziniert von den Bildern und vor allem deren Ausdruckskraft, der ihr den Textinhalt auch mit wenig Deutschkenntnissen übersetzte. „Diese Fotos waren alle in schwarz-weiß, aber in meiner Vorstellung sah ich sie in bunten, farbigen Bildern. Jedes Foto erzählte mir eine kleine Geschichte.“
Der Zufall hatte entschieden, ihre Leidenschaft war geweckt. Shimizu wollte ein Buch daraus machen. Sie flog zurück nach Japan, zeichnete alle 334 Bilder ab. „Drucktechnik hatte Tradition in Deutschland, also wollte ich auch dort studieren.“ Am liebsten hätte sie das in Leipzig getan, das ihr von allen besuchten Städten am meisten gefiel. Doch ein spontaner Besuch bei der Fachhochschule in Bielefeld, drei Tage vor ihrem Rückflug nach Japan, veränderte nochmal alles. Der Professor, dem sie ihre Mappe zeigen wollte, forderte sie stattdessen zu einer Partie Schach heraus. „Er meinte er hätte Feierabend“, sagt die Illustratorin amüsiert. Sie verlor das Spiel, er gewann seine Stimmung zurück, sich die Werke Shimizus näher anzuschauen. Sie kam wieder, studierte dort Graphic Design. „Dabei war es nie mein Ehrgeiz, ein Diplom zu machen, sondern das Haustierbuch-Projekt zu verwirklichen.“ Nach vielen Absagen folgte die Zusage aus Berlin. Ihr Buch wurde 2007 verlegt.
Mittlerweile war Maki Shimizu in die Hauptstadt gezogen, hat sich als Zeichnerin etabliert und arbeitet getreu ihrem Lebensmotto „Was zu mir kommt“. Zu ihr kam auch Friedrich W. Zimmermann, Autor des biografischen Buches „Liebe – Lust – Prostata: Eine wahre Liebesgeschichte“, das schließlich 2018 mit der feinfühlig humorvollen Umsetzung Shimizus Bildern als Comic erschien. Weitere Werke dieses Genres zeichnet die Künstlerin inzwischen in Serie. Zum Beispiel das Heft „Adagio“, in dem sich die Protagonisten, der Kater Adagio und Maki-Maus, mit dem Alltag Berlins beschäftigen – eine Mischung aus Esoterik, Burnout und der Kunst der Freundschaft – natürlich mit sprachgewaltigen Bildern.
Dass Shimizu einmal Comics zeichnen würde, das hätte sie nie für möglich gehalten. „Denn die sind in Japan etwa so populär wie Fußball“, sagt sie ironisch. Fast 20 Jahre nach ihrer ersten Reise nach Deutschland probiert sich die Wahl-Berlinerin in unterschiedlichen Kunstformen aus, oft ungeplant und eben auf ihre eigene Art „Kein Stil ist mein Stil“, resümiert Shimizu dankbar.
(Text von Karin Frey)